Kündigungsfristen für den nebenberuflichen Handelsvertreter

Eine gegenüber einem Handelsvertreter im Nebenberuf verwendete Formularbestimmung, wonach eine Vertragskündigung nach einer Laufzeit von drei Jahren nur unter Einhaltung einer Frist von zwölf Monaten auf das Ende eines Kalenderjahres zulässig ist, ist wegen unangemessener Benachteiligung unwirksam. Eine gegenüber einem Handelsvertreter verwendete Formularbestimmung, wo-nach der Handelsvertreter eine Vertragsstrafe unabhängig vom Verschulden verwirkt, ist unwirksam.

Ausgangspunkt ist die Bestimmung des § 92b Abs. 1 Satz 2 HGB über die Kündigungsfrist für Handelsvertreter im Nebenberuf. Ist ein solches Vertragsverhältnis auf unbestimmte Zeit eingegangen, kann es gemäß § 92b Abs. 1 Satz 2 HGB mit einer Frist von einem Monat für den Schluss eines Kalendermonats gekündet werden; wird eine andere Kündigungsfrist vereinbart, so muss sie für beide Teile gleich sein.

Die Parteien dürfen zwar eine längere Kündigungsfrist als gesetzlich vorgesehen vereinbaren. Das Vertragsverhältnis mit einem Handelsvertreter im Nebenberuf ist seinem Wesen nach aber in der Regel weniger auf Dauer berechnet als das eines hauptberuflichen Vertreters1. Ein nebenberufliches Handelsvertreterverhältnis soll nach der gesetzlichen Regelung rascher beendet werden können als das Vertragsverhältnis eines Handelsvertreters im Hauptberuf, für den bei vergleichbarer Vertragsdauer von über fünf Jahren eine Kündigungsfrist von sechs Monaten für den Schluss eines Kalendermonats maßgeblich wäre (§ 89 Abs. 1 Satz 2 und 3 HGB). Eine zeitlich gestaffelte Verlängerung der Kündigungsfrist sieht § 92b Abs. 1 Satz 2 HGB anders als § 89 HGB nicht vor. Durch eine Kündigungsfrist von zwölf Monaten auf das Ende eines Kalenderjahres wird die Kündigungsfrist für einen nebenberuflichen Handelsvertreter jedoch unter Umständen auf bis zu 23 Monate verlängert. Entsprechende Formularbestimmungen sind in der Rechtsprechung und im Schrifttum zu Recht als unangemessene Benachteiligung des Handelsvertreters angesehen worden2.

Zu Unrecht hat das Berufungsgericht seine entgegenstehende Auffassung in erster Linie mit der geringeren Schutzbedürftigkeit des Handelsvertreters im Nebenberuf begründet. Die von § 92b Abs. 1 Satz 2 HGB vorgesehene, gegenüber § 89 HGB verkürzte Kündigungsfrist ist im Gesetzgebungsverfahren zwar mit geringerer Schutzbedürftigkeit des Handelsvertreters im Nebenberuf begründet worden. Das Vertragsverhältnis stelle nicht die Existenzgrundlage des nebenberuflichen Vertreters dar. Eine Kündigung habe deshalb nicht in demselben Umfang existenzgefährdende Wirkung wie bei einem hauptberuflichen Vertreter3. Für einen nebenberuflichen Handelsvertreter sei das Entgelt aus seiner Vertretertätigkeit nicht die einzige finanzielle Grundlage4.

Der Gesetzgeber hatte danach eine rasche Beendigungsmöglichkeit durch den Unternehmer im Blick. Insoweit mag ein Handelsvertreter im Nebenberuf in einem geringeren Maß schutzwürdig sein. Das ist jedoch nicht der geeignete Anknüpfungspunkt für die Inhaltskontrolle einer Klausel, mit der die Kündigungsfrist des nebenberuflichen Handelsvertreters vertraglich verlängert wird. Insoweit kommt es auf die Frage an, inwieweit der Handelsvertreter durch eine lange Kündigungsfrist unangemessen benachteiligt wird. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass der Handelsvertreter im Nebenberuf auf eine Beendigung des Vertragsverhältnisses in absehbarer Zeit angewiesen sein kann. Eine auf bis zu 23 Monate verlängerte Kündigungsfrist kann seine Flexibilität und Mobilität unverhältnismäßig beeinträchtigen.

Ein Handelsvertreter im Nebenberuf kann durch die lange Kündigungsfrist in unbilliger Weise daran gehindert werden, einen existenzsichernden Hauptberuf bei einem konkurrierenden Unternehmer zu ergreifen. Zwar mag das Gesetzgebungsverfahren im Jahr 1952 von der Vorstellung beeinflusst gewesen sein, dass ein Handelsvertreter im Nebenberuf zusätzlich bereits einen existenzsichernden Hauptberuf ausübt5. Dies kann sich jedoch ohne Weiteres auch anders verhalten, etwa bei einer Betreuung von Familienangehörigen.

Der Bundesgerichtshof verkennt nicht, dass der Handelsvertreter durch eine lange Kündigungsfrist auch Vorteile hat, weil ihm nicht kurzfristig gekündigt werden kann. Das wiegt jedoch nicht die dargestellten Nachteile auf. Auch die Erwägung der Revisionserwiderung, die Klausel sei deshalb hinnehmbar, weil die lange Kündigungsfrist erst nach einem Zeitraum von drei Jahren greift, überzeugt nicht. Denn auch nach diesem Zeitraum ist der Handelsvertreter schutzwürdig. Er kann ein nachhaltiges, schutzwürdiges Interesse daran haben, das nebenberufliche Handelsvertreterverhältnis in einem angemessenen, überschaubaren Zeitraum aufzulösen. Auch das Interesse des Unternehmers, die Fluktuation nebenberuflicher Handelsvertreter gering zu halten, rechtfertigt nicht die formularmäßige Vereinbarung einer derart langen Kündigungsfrist.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 21. März 2013 – VII ZR 224/12

  1. Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Handelsgesetzbuches [Recht der Handelsvertreter] vom 15.11.1952, BT-Drucks. 1/3856, S. 42 []
  2. OLG Celle, OLGR 2005, 650; Baumbach/Hopt, HGB, 35. Aufl., § 92b Rn. 7; Oetker/Busche, HGB, 2. Aufl., § 92b Rn. 5; siehe auch Emde, Vertriebsrecht, 2. Aufl., § 89 HGB Rn. 77 []
  3. BT-Drucks. 1/3856, S. 42; siehe MünchKomm-HGB/von Hoyningen-Huene, 3. Aufl., § 92b Rn. 16 []
  4. BT-Drucks. 1/3856, S. 43 []
  5. BT-Drucks. 1/3856, S. 43; vgl. auch BGH, Urteil vom 18.04.2007 – VIII ZR 117/06, NJW-RR 2007, 1286 Rn. 23 []