Ausgleichsanspruch eines Versicherungsvertreters / Bausparkassenvertreters

Der Ausgleichsanspruch eines Versicherungsvertreters und Bausparkassenvertreters, der vor dem 5. August 2009 entstanden ist, bestimmt sich nach Maßgabe des § 89b Abs. 5 in Verbindung mit Abs. 1 HGB aF. Eine europarechtskonforme Auslegung des § 89b Abs. 1 HGB aF im Hinblick auf die Richtlinie 86/653/EWG des Rates vom 18. Dezember 1986 zur Koordinierung der Rechtsvorschriften der Mitglied-staaten betreffend die selbständigen Handelsvertreter ist für diesen Bereich nicht geboten.

Die von den Spitzenverbänden der Versicherungswirtschaft und des Versicherungsaußendienstes vereinbarten „Grundsätze-Sach“, „Grundsätze-Leben“, „Grundsätze-Kranken“ und „Grundsätze-Bauspar“ können als Grundlage für die richterliche Schätzung eines Mindestausgleichsbetrags dienen.

Keine Rückwirkung der gesetzlichen Neuregelung des Ausgleichsanspruchs

Im Ansatz zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass auf den vorliegenden Fall § 89b Abs. 1 HGB, auf den § 89b Abs. 5 HGB für den Versicherungs- und den Bausparkassenvertreter mit bestimmten Modifikationen verweist, in der Fassung vor Inkrafttreten des Art. 6a des Gesetzes zur Neuregelung der Rechtsverhältnisse bei Schuldverschreibungen aus Gesamtemissionen und zur verbesserten Durchsetzbarkeit von Ansprüchen von Anlegern aus Falschberatung vom 31.07.20091 am 5.08.2009 anwendbar ist.

Durch diese Bestimmung ist § 89b Abs. 1 HGB dahingehend geändert worden, dass die bislang als eigenständiges Tatbestandsmerkmal geregelten Provisionsverluste des Handelsvertreters nur noch ein – allerdings namentlich besonders hervorgehobenes – Merkmal der Billigkeit darstellen. Diese Änderung war wegen der vom Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften mit Urteil vom 26.03.20092 beanstandeten bislang unzureichenden Umsetzung der Handeslvertreterrichtlinie3 erforderlich4.

Für die Frage, inwieweit einem Gesetz rückwirkende Kraft zukommt, gilt der allgemeine Grundsatz, dass eine Rückwirkung nur anzunehmen ist, wenn das Gesetz sie in bestimmter Weise gebietet oder wenn besondere Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Gesetzeswille auf sie gerichtet ist.

Insbesondere bleiben danach für Rechte und Rechtsverhältnisse, die vor dem Inkrafttreten des Gesetzes entstanden sind, die bisherigen Gesetze maßgebend, sofern nicht eine Ausnahme von dem grundsätzlichen Verbot der Rückwirkung aus dem neuen Gesetz, insbesondere aus seinen Übergangsvorschriften, zu entnehmen ist5.

Der Ausgleichsanspruch eines Handels, Versicherungs- oder Bausparkassenvertreters entsteht mit der rechtlichen Beendigung des Vertreterverhältnisses6. Dieser Zeitpunkt liegt im Streitfall vor dem Inkrafttreten der Neufassung des § 89b Abs. 1 HGB am 5.08.2009. Da das Gesetz zur Neuregelung der Rechtsverhältnisse bei Schuldverschreibungen aus Gesamtemissionen und zur verbesserten Durchsetzbarkeit von Ansprüchen von Anlegern aus Falschberatung keine Rückwirkungsbestimmung enthält7 und auch ein auf Rückwirkung gerichteter Gesetzeswille nicht hinreichend sicher feststellbar ist, gilt für Ausgleichsansprüche, die vor dem 5.08.2009 entstanden sind, grundsätzlich altes Recht8.

Keine richtlinienkonforme Auslegung der bis August 2009 geltenden Vorschriften zum Ausgleichsanspruch des Versicherungsvertreters

Ob § 89b Abs. 1 HGB aF richtlinienkonform auszulegen oder fortzubilden ist9, soweit vor dem 5. August 2009 entstandene Ausgleichsansprüche der von der Handelsvertreterrichtlinie erfassten Warenhandelsvertreter betroffen sind, kann vorliegend dahinstehen. Denn jedenfalls für die an dieser Stelle relevanten Ausgleichsansprüche aus einem Versicherungs- und Bausparkassenvertreterverhältnis kommt – anders als das Berufungsgericht meint – eine europarechtskonforme Auslegung nicht in Betracht.

Der Versicherungs- und Bausparkassenvertreter wird von der Handelsvertreterrichtlinie nicht erfasst, so dass sich die Notwendigkeit einer europarechtskonformen Auslegung nicht aus dem Europarecht selbst ergibt10.

Eine europarechtskonforme Auslegung ist vorliegend auch nicht wegen des Gebots der einheitlichen Auslegung des nationalen Rechts erforderlich. Zwar kann nach dem innerstaatlichen Recht eine für bestimmte Sachverhalte gebotene richtlinienkonforme Auslegung auf nicht von der Richtlinie erfasste Konstellationen zu erstrecken sein, wenn der nationale Gesetzgeber die beiden Fallgestaltungen parallel regeln wollte11. Ein derartiger Wille des Gesetzgebers zur Gleichbehandlung des Ausgleichsanspruchs von Handelsvertretern mit dem von Versicherungs- oder Bausparkassenvertretern existiert jedoch nicht.

Dies ergibt sich schon daraus, dass die dogmatische Konzeption des Ausgleichsanspruchs eines Versicherungs- und Bausparkassenvertreters sich von derjenigen eines Handelsvertreters unterscheidet. Maßgeblich sind nach dem Wortlaut des § 89b Abs. 5 HGB – in Abweichung von § 89b Abs. 1 HGB – nicht die vom Handelsvertreter hergestellten Geschäftsverbindungen des Unternehmers mit neugeworbenen Kunden, der sogenannte Kundenstamm, sondern die neuen Versicherungs- und Bausparverträge, die der Vertreter in seiner Vertragszeit vermittelt hat12. Der Ausgleichsanspruch des Versicherungs- oder Bausparkassenvertreters dient damit nicht dem Ausgleich für Folgegeschäfte, die der Unternehmer nach dem Ausscheiden des Vertreters mit den von diesem geworbenen Stammkunden schließt, sondern allein dem Ausgleich für noch nicht vollständig ausgezahlte Provisionen aus bestehenden, vom Versicherungsvertreter vermittelten Verträgen, soweit diese Provisionsansprüche infolge der Beendigung des Vertretervertrages entfallen13.

Auch ein historischer Rückblick spricht gegen einen gesetzgeberischen Willen zur Gleichbehandlung der Ausgleichsansprüche von Handelsvertretern und Versicherungs- oder Bausparkassenvertretern. Die nunmehr erfolgte Anpassung des § 89b Abs. 1 HGB an die Handelsvertreterrichtlinie war in den Jahren 1988/1989 bereits einmal Gegenstand eines Gesetzgebungsvorhabens14. Die Bundesregierung wollte damals § 89b Abs. 1 HGB – wie nunmehr geschehen – dergestalt ändern, dass die Provisionsverluste als eigenständiges Tatbestandsmerkmal entfallen und nur noch im Rahmen einer Billigkeitsprüfung zu berücksichtigen sein sollten. Allerdings sah der damalige Gesetzentwurf für § 89b Abs. 5 HGB eine ausdrücklich von der Neufassung des Abs. 1 abweichende Formulierung vor, nach der ein Ausgleichsanspruch eines Versicherungsvertreters weiterhin voraussetzte, dass „dem Versicherungsvertreter infolge der Beendigung des Vertragsverhältnisses Provisionen aus von ihm vermittelten Versicherungsverträgen entgehen“15. Dieser Sonderweg wurde mit den Besonderheiten des Ausgleichsanspruchs des Versicherungsvertreters im Vergleich zum Warenvertreter begründet: „Beim Warenvertreter sollen mit dem Ausgleichsanspruch in erster Linie die Vorteile vergütet werden, die der Unternehmer aus dem vom Handelsvertreter geschaffenen Kundenstamm auch künftig hat. Dagegen geht es beim Versicherungsvertreter grundsätzlich darum, die Provisionsverluste aus den von ihm vermittelten … Versicherungsverträgen auszugleichen, die infolge der Beendigung des Vertragsverhältnisses eintreten“16. Die geplante eigenständige Regelung des § 89b Abs. 5 HGB hat sich im Lauf des Gesetzgebungsverfahrens nur deshalb nicht durchgesetzt, weil der Gesetzgeber der Auffassung des Rechtsausschusses gefolgt ist, der damals geltende § 89b Abs. 1 HGB mit seinen drei Tatbestandsmerkmalen entspreche bereits der EGRichtlinie, weswegen der bisherige Verweis in Abs. 5 ausreichend sei17.

Angesichts dieser Umstände lässt allein die Tatsache, dass der Gesetzgeber bei der im Jahr 2009 tatsächlich erfolgten Neuregelung des § 89b Abs. 1 HGB keine Spezialregelung für die Versicherungs- und Bausparkassenvertreter geschaffen hat, nicht auf einen gesetzgeberischen Willen zur – erstmaligen – Gleichbehandlung mit dem Handelsvertreterausgleichsanspruch schließen.

Die „Grundsätze“ als Schätzungsgrundlage

Für den Streitfall verbleibt es damit bei dem Grundsatz, dass der Versicherungs- und Bausparkassenvertreterausgleich allein dem Ausgleich für noch nicht vollständig ausgezahlte Vermittlungsprovisionen aus bestehenden, vom Vertreter vermittelten Verträgen dient, soweit diese infolge der Beendigung des Vertretervertrages entfallen. Den bestehenden, vom Vertreter vermittelten Verträgen gleichgestellt sind allerdings solche Verträge, die zwar erst nach dem Ausscheiden des Vertreters zustande kommen, sich aber bei natürlicher Betrachtungsweise lediglich als Fortsetzung (Verlängerung) oder Erweiterung (Summenerhöhung) der vom Vertreter vermittelten Verträge darstellen, also in einem engen wirtschaftlichen Zusammenhang mit den Altverträgen stehen und dem gleichen Versicherungs- oder Bausparbedürfnis dienen18. Ausgleichsrechtlich irrelevant sind hingegen die Verwaltungsprovisionen, die unter anderem für Tätigkeiten wie die Bestandspflege und die Kundenbetreuung gezahlt werden19.

Die soeben aufgezeigte Problematik der Aufteilung in vermittelnde und verwaltende Vergütungsanteile stellt sich auch im Bereich der sogenannten Superprovisionen, durch die der Aufbau einer Vertriebsorganisation durch beispielsweise Einstellung, Einarbeitung und Betreuung von Untervertretern honoriert wird. Auch diese Superprovisionen können ausgleichspflichtig sein, soweit die Tätigkeit des Generalvertreters, Bezirksstellenleiters oder – wie hier – Generaldirektionsleiters Voraussetzung für das Arbeiten der ihm unterstellten Vertreter und daher mitursächlich für die von diesen vermittelten Abschlüsse ist20. Eine solche Mitursächlichkeit setzt – entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts – nicht zwingend voraus, dass der Generalvertreter die ihm unterstellten Vertreter auch tatsächlich betreut. Vielmehr kann je nach den Umständen des Einzelfalls schon die Mitursächlichkeit der Einstellung und Einarbeitung der Untervertreter ausreichen.

Die Anwendung dieser Maßgaben in der Praxis wirft schwierige Abgrenzungsfragen auf. Diese betreffen einerseits die Aufteilung der Folgeprovisionen in für die Vermittlung von Verträgen gezahlte Vermittlungs- oder Abschlussprovisionsanteile und in – für den Ausgleichsanspruch irrelevante – Verwaltungsvergütungsanteile sowie andererseits die Bestimmung der ausgleichsfähigen Zusatz- und Ergänzungsverträge21.

Vor diesem Hintergrund haben die Spitzenverbände der Versicherungswirtschaft und des Versicherungsaußendienstes beginnend im Jahr 1958 sogenannte „Grundsätze“ („Grundsätze-Sach“, „Grundsätze-Leben“, „Grundsätze-Kranken“ und „Grundsätze-Bauspar“)) vereinbart, um – so die Präambel sämtlicher Grundsätze22 – „die Höhe des nach Auffassung der beteiligten Kreise angemessenen Ausgleichs global zu errechnen“23. Diese „Grundsätze“ sind in der Folgezeit auf Empfehlung der Spitzenverbände vielfach angewendet worden. Allein in den Jahren 1958 bis 1999 sind ca. 52.000 Ausgleichsansprüche von Versicherungsvertretern nach den „Grundsätzen“ abgewickelt worden24.

Die Rechtsnatur der „Grundsätze“ ist bislang nicht abschließend geklärt.

Nach der insoweit engsten Auffassung sind die „Grundsätze“ unverbindlich, wenn nicht ihre Anwendung von den Vertragsparteien wirksam vereinbart wird25. Abweichend hiervon wird vertreten, die „Grundsätze“ könnten als rechtlich beachtlicher Vertrag zugunsten Dritter qualifiziert werden, sofern – was vorliegend nicht festgestellt ist – die Parteien Mitglieder der vertragsschließenden Verbände gewesen seien26. Weitere Stimmen sprechen sich dafür aus, die „Grundsätze“ als Handelsbrauch im Sinne des § 346 HGB anzusehen27 oder sie zumindest im Rahmen einer Schätzung nach § 287 ZPO zu berücksichtigen28.

Die aufgeworfene Frage nach der Rechtsnatur der „Grundsätze“ ist für den vorliegenden Fall dahingehend zu beantworten, dass die „Grundsätze“ angesichts ihrer Entstehungsgeschichte jedenfalls als Schätzgrundlage herangezogen werden können.

Das Berufungsgericht hat im hier entschiedenen Fall festgestellt, dass ein die „Grundsätze“ umfassender Handelsbrauch nicht besteht. An diese tatrichterliche Würdigung, gegen die die Revision nichts vorbringt, ist das Revisionsgericht grundsätzlich gebunden29.

Die Anwendung der „Grundsätze“ als Schätzgrundlage scheitert nicht an der gemäß § 89b Abs. 5 HGB auch für den Versicherungs- und Bausparkassenvertreter geltenden Schutznorm des § 89b Abs. 4 HGB30. Der Vertreter, dessen Schutz § 89b Abs. 4 Satz 1 HGB dient, ist nicht gezwungen, seinen Ausgleichsanspruch auf der Basis der „Grundsätze“ zu berechnen, nur weil diese als Schätzgrundlage dienen können. Es bleibt ihm vielmehr unbenommen, seinen Ausgleichsanspruch allein nach Maßgabe des § 89b Abs. 1 und 5 HGB sowie der hierzu ergangenen Rechtsprechung darzulegen und erforderlichenfalls zu beweisen.

Einer Heranziehung der „Grundsätze“ als Schätzgrundlage lässt sich auch nicht entgegenhalten, dass diese eine Berechnung abweichend von den gesetzlichen Maßstäben vornähmen, beispielsweise im Bereich der Sachversicherung auf eine Abgrenzung von werbenden und verwaltenden Provisionsanteilen verzichteten, obwohl nach § 89b Abs. 1 und 5 HGB nur Vermittlungsprovisionen ausgleichspflichtig seien31. Eine nähere Betrachtung der im Rahmen der „Grundsätze“ vorzunehmenden Rechenschritte zeigt, dass die gesetzlichen Maßstäbe durchaus berücksichtigt werden und lediglich eine – der Zulässigkeit einer Schätzung nicht entgegenstehende – Pauschalierung erfolgt.

Im Bereich der „Grundsätze-Sach“ wird der Ausgleichsanspruch zwar auf der Grundlage der durchschnittlichen BruttoJahresprovision des Versicherungsvertreters berechnet32. Allerdings werden unter anderem erstjährige erhöhte Abschlussprovisionen – die nach der gesetzlichen Konzeption des Ausgleichsanspruchs ohnehin nicht berücksichtigungsfähig sind, da sich insoweit aus der Vertragsbeendigung meistens keine Verluste ergeben – bereits an dieser Stelle aus der Berechnung herausgenommen, so dass nur die gleich hohen Folgeprovisionen den maßgeblichen Ausgleichswert bestimmen33. Ebenfalls in die Berechnung einzubeziehen sind die Superprovisionen34.

Für die im Rahmen des Ausgleichswerts zu berücksichtigenden Provisionen muss zwar nicht im Einzelnen ermittelt werden, inwieweit durch sie vermittelnde oder – an sich ausgleichsrechtlich irrelevante – verwaltende Tätigkeiten abgegolten werden. Dies heißt jedoch nicht, dass diese rechtlich maßgebliche Abgrenzung für die „Grundsätze-Sach“ völlig irrelevant geblieben wäre. Von dem soeben beschriebenen Ausgleichswert wird nämlich nur ein bestimmter Teil angesetzt. Die Höhe dieses Teils ist nach den einzelnen Versicherungssparten unterschiedlich ausgestaltet und liegt zwischen 25 % und 50 %. In dieser unterschiedlichen Höhe kommt – neben der für den Ausgleichsanspruch ebenfalls relevanten Frage der Bestandsfestigkeit der einzelnen Versicherungsverträge – auch eine unterschiedliche Bewertung der Verteilung von Folgeprovisionen auf Abschlussfolgeprovisionen und Verwaltungsprovisionen zum Ausdruck35.

Die in den „GrundsätzenSach“ darüber hinaus vorgesehenen sogenannten Multiplikatoren, die entsprechend der Dauer der Tätigkeit des Vertreters gestaffelt sind, sind Ausfluss der im Gesetz in § 89b Abs. 1 Nr. 1 HGB aF vorgesehenen Billigkeitsprüfung36.

Auch die „Grundsätze-Bauspar“ legen der Berechnung des Ausgleichsanspruchs die durchschnittliche Jahresprovision zugrunde. Sie verzichten zwar auf die bei einer Berechnung nach §§ 89b Abs. 1 und 5 HGB gebotene Einzelfallbestimmung derjenigen Abschlüsse, die sich bei natürlicher Betrachtungsweise als Fortsetzung (Verlängerung) oder Erweiterung (Summenerhöhung) von Altverträgen darstellen und dem gleichen Bausparbedürfnis dienen37. Allerdings wird dieser rechtliche Aspekt von den „GrundsätzenBauspar“ explizit aufgegriffen. Zur Vermeidung der „überaus schwierigen und zeitraubenden“ Ermittlungen wird der ausgleichspflichtige Anteil mit einem Satz von 20,25 % der durchschnittlichen Jahresprovision der letzten vier Jahre pauschal festgelegt38. Die auch in den „GrundsätzenBauspar“ enthaltenen, nach Tätigkeitsdauer gestaffelten Multiplikatoren sind hier sogar ausdrücklich mit § 89b Abs. 1 Nr. 3 HGB [aF] verknüpft.

Die „Grundsätze-Leben“ beruhen auf der oben genannten Rechtsprechung, nach der einem ausgeschiedenen Versicherungsvertreter ein Ausgleichsanspruch auch für solche nachvertraglichen Ergänzungs- oder Nachtragsverträge zu einem Ursprungsvertrag zusteht, die sich bei natürlicher Betrachtungsweise lediglich als dessen Fortsetzung oder Erweiterung darstellen, mit diesem also in einem engen wirtschaftlichen Zusammenhang stehen und das gleiche Versicherungsbedürfnis betreffen, das dem Ursprungsvertrag zugrunde lag39. Sie setzen diese Rechtsprechung – allerdings begrenzt auf den Bereich der dynamischen Lebensversicherung – mit Hilfe eines Faktors um, mit dem – im Verhältnis zur Versicherungssumme aus sämtlichen zum Zeitpunkt der Beendigung des Versicherungsvertretervertrags bestehenden und zum letzten Erhöhungszeitpunkt tatsächlich angepassten dynamischen Lebensversicherungen40 – die verbleibende Laufzeit und der geschätzte Umfang der Erhöhung berücksichtigt wird41. Beides sind Umstände, die auch im Rahmen der Berechnung allein nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften für die dabei erforderliche Prognose zu berücksichtigen wären. Ferner wird auch bei den „GrundsätzenLeben“ unter ausdrücklicher Verweisung auf § 89b Abs. 1 Nr. 3 HGB [aF] der Vertragsdauer desjenigen Versicherungsvertreters Rechnung getragen, der ausschließlich für ein einziges Versicherungsunternehmen tätig war.

Ein ähnliches Bild ergibt sich im Bereich der „Grundsätze-Kranken“. Hier wird der Ausgleich für die insofern maßgeblichen Aufstockungsfälle bei privaten Krankenversicherungen durch Multiplikation mit dem Faktor 0,2 ermittelt. Dieser Faktor soll das Verhältnis der Aufstockungsfälle im Vergleich zum Gesamtbestand abbilden42, während ein weiterer Faktor die unter Billigkeitsgesichtspunkten zu berücksichtigende Tätigkeit des Versicherungsvertreters aufgreift.

Das Gericht darf daher die auf den „Grundsätzen“ basierende Darlegung des Versicherungsvertreters zu seinem Ausgleichsanspruch in den Bereichen Sachversicherung, Lebensversicherung, Krankenversicherung und Bausparverträge nicht mit der Begründung unberücksichtigt lassen, dass deren Anwendung zwischen den Parteien nicht vereinbart worden sei. Es hat vielmehr die – nach zu erteilenden Hinweisen möglicherweise ergänzten und unter Beweis gestellten – Ausführungen des Versicherungsvertreters erforderlichenfalls nach Durchführung einer Beweisaufnahme zur Grundlage einer richterlichen Schätzung eines Mindestausgleichsbetrags nach § 287 ZPO machen müssen. einer konkreten Zuordnung der Folgeprovisionen zu Verwaltungs- und Vermittlungsaufgaben bedarf es hierbei für die Berechnung nach § 89b Abs. 1 und 5 BGB nicht.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 23. November 2011 – VIII ZR 203/10

  1. BGBl. I S. 2512 []
  2. EuZW 2009, 304 ff. – Turgay Semen/Deutsche Tamoil GmbH []
  3. Richtlinie 86/653/EWG des Rates vom 18.12.1986 zur Koordinierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten betreffend die selbständigen Handelsvertreter, ABl. EG Nr. L 382 S. 17 []
  4. vgl. BT-Drucks. 16/13672, S. 22 []
  5. BGH, Urteil vom 08.07.1954 – IV ZR 67/54, BGHZ 14, 205, 208 mwN []
  6. BGH, Urteil vom 29.03.1990 – I ZR 2/89, NJW 1990, 2889 unter I 1 b mwN []
  7. vgl. zum Inkrafttreten Art. 8 []
  8. aA Emde, WRP 2010, 844; Thume, BB 2009, 2490 []
  9. vgl. zu letzterem BGH, Urteil vom 26.11.2008 – VIII ZR 200/05, BGHZ 179, 27 Rn.20 ff. []
  10. vgl. Thume, BB 2011, 1800, 1801 []
  11. vgl. BGH, Urteil vom 09.04.2002 – XI ZR 91/99, BGHZ 150, 248, 260 f.; BGH, Beschluss vom 29.04.2009 – VIII ZR 226/07, VersR 2009, 1116 Rn. 9; BGH, Urteil vom 16.02.2011 – VIII ZR 226/07, NJW RR 2011, 614 Rn.19 []
  12. BGH, Urteil vom 23.02.1961 – VII ZR 237/59, BGHZ 34, 310, 316 []
  13. BGH, Urteil vom 01.06.2005 – VIII ZR 335/04, WM 2005, 1866 unter II 5 []
  14. vgl. BT-Drucks. 11/3077 []
  15. BT-Drucks. 11/3077, S. 4 []
  16. BT-Drucks. 11/3077, S. 9 f. []
  17. vgl. BT-Drucks. 11/4559, S. 9 []
  18. BGH, Urteile vom 23.02.1961 – VII ZR 237/59, aaO S. 317 ff.; vom 06.07.1972 – VII ZR 75/71, BGHZ 59, 125, 126 f.; Küstner in Küstner/Thume, Handbuch des gesamten Außenverdienstrechts, Band 2, 8. Aufl., Kap. VIII Rn. 307 []
  19. vgl. BGH, Urteil vom 22.12.2003 – VIII ZR 117/03, WM 2004, 1483 unter II 2 b []
  20. BGH, Urteile vom 24.06.1971 – VIII ZR 223/69, BGHZ 56, 290, 292 f.; vom 22.06.1972 – VII ZR 36/71, BGHZ 59, 87, 91 ff.; vom 06.07.1972 – VII ZR 75/71, aaO S. 128 ff.; Emde in Großkommentar HGB, 5. Aufl., § 89b Rn. 407; Küstner in Küstner/Thume, aaO Rn. 279 []
  21. vgl. Küstner in Küstner/Thume, aaO, Kap. XX Rn. 2; Emde, aaO Rn. 413 []
  22. abgedruckt in Hopt, Handelsvertreterrecht, 4. Aufl., Ausgl. 1 B []
  23. vgl. hierzu Küstner in Küstner/Thume, aaO Rn. 1 ff.; Emde, aaO Rn. 412 ff. []
  24. Küstner in Küstner/Thume, aaO Rn. 9, 12 []
  25. OLG Köln, VersR 1974, 995 f.; OLG Frankfurt am Main [5. Senat], VersR 1986, 388 f.; Emde, aaO Rn. 416; Graf von Westphalen, DB 2000, 2255 []
  26. BAG, DB 1986, 919, 920; kritisch hierzu Küstner in Küstner/Thume, aaO Rn. 14; Hopt, aaO, § 89b Rn. 96; Emde, aaO Rn. 418 []
  27. LG Hamburg, VersR 1972, 742; OLG München, VersR 1974, 288; LG München I, VersR 1975, 81 und VersR 1975, 736; LG Wiesbaden, VersR 1976, 145; LG NürnbergFürth, VersR 1976, 476; Martin, VersR 1968, 117, 119 und VersR 1970, 796, 797; Thume, BB 2002, 1325, 1329; vgl. auch Küstner in Küstner/Thume, aaO Rn. 16 f.; aA OLG Frankfurt am Main [8. Senat], NJW-RR 1996, 548, 549 []
  28. LG Hannover, BB 1976, 664; OLG Frankfurt am Main [10. Senat], VersR 1986, 814; LG München I, VersR 1988, 1069; vgl. auch OLG Hamburg, VersR 1993, 476; MünchKomm-HGB/von HoyningenHuene, 3. Aufl., § 89b Rn. 268; Hopt, aaO; Sonnenschein/Weitemeyer, HGB, 2. Aufl., § 89b Rn. 110; Löwisch in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 2. Aufl., § 89b Rn. 158; Küstner, VW 1998, 704, 705; Westphal, Vertriebsrecht, Band 1, 1998, Rn. 1233; teilweise wird sogar von einer „Vermutung der grundsätzlichen Richtigkeit und Billigkeit“ gesprochen – OLG Düsseldorf, VersR 1979, 837, 838; LG Düsseldorf, VersR 1980, 186 und VersR 1981, 979 f. []
  29. st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 11.05.2001 – V ZR 492/99, NJW 2001, 2464 unter II 1 c mwN; BGH, Urteil vom 24.11.1976 – VIII ZR 21/75, NJW 1977, 385 unter II 2 b bb []
  30. aA OLG Frankfurt am Main, VersR 1986, 388, 389; Emde, aaO Rn. 418 []
  31. so aber Emde, aaO []
  32. vgl. Küstner in Küstner/Thume, aaO Rn. 22; Hopt, aaO, Ausgl 1, B I 1; Emde, aaO Rn. 424 []
  33. Küstner in Küstner/Thume, aaO Rn. 75 ff.; Emde, aaO Rn. 425 ff. []
  34. Hopt, aaO, Ausgl 1, B I 3; Küstner in Küstner/Thume, aaO Rn. 83, 150; Westphal, aaO Rn. 1242; aA Emde, aaO Rn. 407 []
  35. Küstner in Küstner/Thume, aaO Rn. 122 ff.; Emde, aaO Rn. 432; Westphal, aaO Rn. 1252 []
  36. vgl. Küstner in Küstner/Thume, aaO Rn. 141 []
  37. vgl. hierzu BGH, Urteil vom 23.02.1961 – VII ZR 237/59, aaO; vom 06.07.1972 – VII ZR 75/71, aaO S. 126 f. []
  38. vgl. Küstner in Küstner/Thume, aaO Rn. 218 ff.; Emde, aaO Rn. 456 []
  39. vgl. Küstner in Küstner/Thume, aaO Rn. 160 ff.; Emde, aaO Rn. 440 []
  40. Küstner in Küstner/Thume, aaO Rn. 175 []
  41. vgl. Emde, aaO Rn. 444 f.; Küstner in Küstner/Thume, aaO Rn. 177 f. []
  42. vgl. Küstner in Küstner/Thume, aaO Rn.204 f.; Emde, aaO Rn. 452 []