„24 Stunden standgeldfrei“

Eine Klausel im Rahmen eines Frachtvertrags gem. §§ 407ff HGB, mit dem Inhalt „24 Stunden sind zur Be- bzw. Entladung standgeldfrei“ benachteiligt den Frachtführer im Sinne von § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unangemessen, da sie vom gesetzlichen Leitbild des § 412 Abs. 3 HGB zum Nachteil des Frachtführers durch Ausschluss seines Entgeltanspruchs abweicht und unberücksichtigt lässt, aus wessen Sphäre die verzögerte Be- oder Entladung stammt. Die Klausel stellt keine kontrollfreie Preisabrede dar und gilt auch im kaufmännischen Verkehr, weshalb sich die Unwirksamkeitsfolge aus § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB ergibt1.

Unabhängig davon, wie konkret ein derart angemessener und zumutbarer Zeitraum zu bestimmen wäre, innerhalb dessen dem Frachtführer ein entgeltfreies Warten zumutbar wäre – wobei das Amtsgericht Mannhiem hierfür einen Zeitraum von je nach Umständen 2 bis max. 4 Stunden veranschlagt – ist entscheidungserheblich darauf abzustellen, dass der Ausschluss dieses Anspruchs durch die vom Besteller verwendete Klausel weit über das Zumutbare und Übliche hinausgeht, nämlich zu einem völligen Ausschluss für die Dauer von 24 Stunden führt. Faktisch wäre der Frachtführer – auch bei nur kurzen – Transporten gezwungen, auf eigene Kosten einen ganzen Tag lang zu warten und so Wartezeiten in Kauf nehmen zu müssen, die möglicherweise die Transportzeit um ein Vielfaches übersteigen. Dem Amtsgericht Mannheim ist aufgrund der bei dem hiesigen Gericht auf der erkennenden Abteilung konzentrierten, jahrelangen und regelmäßigen Bearbeitung von Frachtsachen kaum ein Fall erinnerlich, aufgrund dessen in der Vergangenheit unter Zugrundelegung dieser AGB einem Frachtführer ein Standgeld hätte zugesprochen werden können. Im Ergebnis läuft diese Klausel, orientiert an „üblichen“ Verzögerungen, darauf hinaus, dass jedenfalls in der Praxis der Standgeldanspruch in das Leere ginge.

Die streitgegenständliche Klausel benachteiligt den Frachtführer i.S. von § 307 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Nr. 1 BGB damit unangemessen. Die Vorschrift des § 412 Abs. 3 HGB stellt klar, dass das Warten des Frachtführers über die gewöhnliche oder vertraglich vereinbarte Ladezeit hinaus eine im Zusammenhang mit der Vertragserfüllung stehende Leistung darstellt, für die er grundsätzlich eine Vergütung verlangen kann. Nach der gesetzlichen Regelung entfällt dieser Vergütungsanspruch nur dann, wenn die zusätzliche Wartezeit auf Umständen beruht, die dem Risikobereich des Frachtführers zuzurechnen sind. Der faktisch diesen Vergütungsanspruch ins Leere laufen lassende Ausschluss dieses Anspruchs in Allgemeinen Geschäftsbedingungen steht daher im Widerspruch zu dem wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung.

Die streitgegenständliche Klausel führt schließlich auch zu einer unangemessenen Haftungsbeschränkung zugunsten des Vertragspartners des Frachtführers. Die Entstehung des Anspruchs auf Standgeld setzt kein „Vertretenmüssen“ des Absenders bzw. Empfängers voraus. Die Vorschrift des § 412 Abs. 3 HGB greift vielmehr den Sphärengedanken auf, der auch anderen Regelungen (siehe etwa § 415 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 Satz 3, § 416 Satz 3, § 417 Abs. 4, § 419 Abs. 1 Satz 3 und § 420 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 HGB) zugrunde liegt2. Danach handelt es sich bei § 412 Abs. 3 HGB um eine gegenüber der normalen Verschuldenshaftung verschärfte Einstandspflicht des Absenders bzw. Empfängers. Die streitgegenständliche Klausel schließt demgegenüber uneingeschränkt die Pflicht zur Zahlung von Standgeld selbst dann aus, wenn die Verzögerung durch den Absender oder Empfänger grob fahrlässig oder gar vorsätzlich herbeigeführt wird. Sie kommt damit in ihrer Wirkung einem Haftungsausschluss ohne Berücksichtigung des Verschuldensmaßes gleich. Auch damit steht die Klausel in einem nicht gerechtfertigten Widerspruch zu den Wertungen des Gesetzes.

Bei der in Rede stehenden Standgeldklausel handelt es sich auch nicht um eine kontrollfreie Preisvereinbarung. Nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die weder von Rechtsvorschriften abweichen noch diese ergänzen, einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 und 2, §§ 308, 309 BGB entzogen. Kontrollfähig sind dagegen (Preis-)Nebenabreden, d.h. Abreden, die zwar mittelbare Auswirkungen auf Preis und Leistung haben, an deren Stelle aber, wenn eine wirksame vertragliche Regelung fehlt, dispositives Gesetzesrecht treten kann3. Nach diesen Grundsätzen unterliegt die Standgeldklausel der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB.

Die Klausel weicht – wie oben ausgeführt – in ihrer faktischen Wirkung von der Vorschrift des § 412 Abs. 3 HGB ab, nach der dem Frachtführer bei Vorliegen der dort genannten Voraussetzungen ein Anspruch auf Standgeld zusteht. Der Verwender verfolgt mit der Klausel zwar vordergründig nur das Ziel, das von Gesetzes wegen ihm zugewiesene Verzögerungsrisiko für einen Zeitraum von 24 Stunden auf den Frachtführer abzuwälzen, wirkt sich aber so aus, dass sie dem Frachtführer in der regelmäßigen Vielzahl der Fälle sein Recht gänzlich abschneidet. Ist die vom Verwender einseitig vorformulierte Regelung jedoch unwirksam, so tritt an deren Stelle die dispositive Bestimmung des § 412 Abs. 3 HGB.

Amtsgericht Mannheim, Urteil vom 5. Juni 2013 – 10 C 65/13

  1. Anschluss an BGH NJW-RR 2011, 257 []
  2. vgl. die Begründung des Regierungsentwurfs des Transportrechtsreformgesetzes, BT-Drucks. 13/8445, S. 41; MünchKomm.HGB/Czerwenka, 2. Aufl., § 412 Rdn. 38; Koller, Transportrecht, 6. Aufl., § 412 HGB Rdn. 53 []
  3. BGHZ 124, 254, 256; 137, 27, 29; 143, 128, 139 []